von Christina Law-Mclean IBCLC

Ich höre bereits das „aber“ bei manchen von Euch Lesern. Für mich gibt es kein „aber“, ich stehe dazu: „Einschlafstillen ist vollkommen ok und sogar normal“!
Aber der Reihe nach, fangen wir erst man von vorne an:

Warum schlafen Babys beim Stillen überhaupt so prima ein?

Stillen ist für Neugeborene einerseits der Inbegriff von Nähe. Es kann auf ganz vielen Ebenen „Mama tanken“. Diese Nähe gibt Sicherheit, Geborgenheit und beruhigt deshalb ungemein. Eigentlich wäre das alles bereits genug um sanft ins Land der Babyträume zu sinken.
Zusätzlich wirken mehrere Mechanismen unter anderem auf hormoneller Ebene zusätzlich schlaffördernd. Die Zusammensetzung der Muttermilch folgt einer spanischen Studie zufolge einem 24-Stunden-Rhythmus. Am Abend und in der Nacht beispielsweise ist der Tryptophan-Wert in der Muttermilch erhöht. Diese Aminosäure spielt eine wichtige Rolle bei der Produktion von Serotonin und Melatonin, die wiederum mit für die Regulierung des Schlaf-Wach-Rhythmus verantwortlich sind. Zusätzlich fanden die Forscher sogenannte Nukleotide in der Muttermilch welche je nach Tageszeit eher schlaffördernd oder eher anregend wirken.
Muttermilch und Stillen wirken also auf ganz vielfältigen Wegen als „natürliches Schlafmittel“

Das Bedürfnis in der Nähe der Mutter/ Eltern zu schlafen

Babys schlafen ungern alleine. Zurecht! Wenn man das Ganze einmal aus unserer Menschheitsgeschichte betrachtet, so wie das der Kinderarzt und Autor Dr Herbert Renz-Polster in seinem Buch „Kinder Verstehen“ tut, merkt man, dass das auch durchaus Sinn macht. So schreibt er in diesem Buch:

So unpraktisch dies ist, evolutionsbiologisch betrachtet ist es sinnvoll: Ohne den Schutz von Erwachsenen einzuschlafen war unter den Bedingungen der menschlichen Frühgeschichte ein Rezept für den sicheren Tod. Die ungeschützten Winzlinge wären von Hyänen verschleppt, von Bären gefressen oder durch eine plötzliche Kaltfront unterkühlt worden. Kein Wunder also, dass nicht die oft besungenen Sternlein am Himmel die Brücke zum Schlaf bilden, sondern ein vertrauter Mensch und die mit ihm verbundenen Merkmale – vom Hautkontakt bis zur gewohnten Stimme.“ (Quelle)

Die ewige Legende vom Tyrannen

Leider hält sich in unserer Gesellschaft teilweise noch hartnäckig die Befürchtung, man könne ein Baby verwöhnen und sich so einen Tyrannen heranzüchten. Und Überbleibsel dieser Sichtweise halten sich nicht nur bei den Großeltern und Ur-Großelterngenerationen. Erschreckenderweise kommen Warnungen a la „wenn Du ihn jedes Mal in den Schlaf stillst, wirst Du ihn nie los“ oft genug auch von anderen Müttern. Richtig gruselig wird es, wenn man sich einmal ansieht, woher diese „Lehren“ (zu denen übrigens noch viel mehr unsinnige Ideen wie „Babys sich in den Schlaf schreien lassen“ etc gehören.) kommen. (>>mehr hierzu)
Nein, man kann ein Baby nicht mit Einschlafstillen oder der Erfüllung anderer Bedürfnisse verwöhnen, Punkt!
 Und mit einem bedürfnisorientierten Umgang und Erziehungsstil zieht man sich keinen Tyrannen heran, sondern ein ausgeglichenes selbstsicheres Kind.

Zwei Schritte vor einen zurück

Nicht nur im Babyalter, aber dort vermehrt, beobachte ich bei vielen Kindern dieses Muster des „zwei Schritte vor, einen zurück“.
Nach einem mehr oder wenig großen Entwicklungsschritt, der den Eltern meist das Gefühl gibt, dass es „voran geht“, dass das Kind „endlich“ besser schläft, krabbelt, Beikost isst, läuft (was auch immer), folgt oft wieder ein kleiner „Rückschritt“, zumindest fühlt es sich für die Eltern so an. Charakteristisch für diesen vermeintlichen „Rückschritt“ ist nicht selten ein wieder verstärktes Bedürfnis nach Nähe bei den Kindern, sowie bei Stillkindern das Verlangen nach möglicherweise wieder mehr Stillmahlzeiten oder die Rückkehr zum vielleicht schon zeitweise nicht mehr nötigen Einschlafstillen.

 

Ungünstiges Timing

Manchmal kommt auch einfach schlechtes Timing dazu. Ruck-zuck ist dann ein Baby welches vielleicht bereits nahezu durchgeschlafen hatte, welches sich schon fast wie ein Kleinkind angefühlt hatte und das kurz vor dem endgültigen Abstillen stand wieder ein kleines nähebedürftiges Babybündel. Beispielsweise im Alter von so etwa 10 Monaten sind die Kinder von Natur aus wieder etwas anhänglicher. Bei den Müttern dreht sich aber in dieser Zeit bereits häufig im Kopf alles um den Wiedereinstieg in den Beruf und den Krippenstart für das Kind wenn dieses 1 Jahr alt wird. Diese beiden Phasen verstärken sich dann oft. Das Kind merkt, dass Mama „sich entfernen“ möchte oder auf Abstillen hindrängt. Klar dass viele Kinder darauf mit einer starken „Gegenbewegung“ reagieren und erst recht Stillen wollen und erst recht zum Einschlafen nicht nur Nähe sondern auch (wieder) die Brust einfordern.
Und auch das ist ganz normal! Wenn Dein Baby merkt, dass Du für es da bist, dass es die Nähe die es braucht auch bekommt wird sich diese Phase von selbst wieder legen.
Darum ist es für Mütter, welche kurz vor dem Wiedereinstieg in den Job noch „schnell, schnell“ abstillen wollen wert, darüber nachzudenken, damit noch etwas zu warten. Denn bei innigen Stillmahlzeiten können Du und Dein Baby die Zeit der noch ungewohnten Trennung sozusagen aufzuholen, das tut Euch beiden gut! (>>mehr dazu)

Der Drang nach Selbstständigkeit bringt die Lösung

Dein Baby hat das Bedürfnis nach Nähe sozusagen in seinem mitgegebenen „Bauplan“. Aber es hat dort ebenso auch das Bedürfnis nach Selbstständigkeit mit auf den Weg gegeben bekommen. Und je älter es wird, je mehr kommt dieses zum Tragen.
Das heißt, Du brauchst nicht Sorge zu haben, dass Dein Kind „ewig“ an der Brust einschlafen möchte. Wenn es reif genug dafür ist, wird es ganz von selbst den Antrieb haben, ohne Brust einzuschlafen und im eigenen Bett zu schlafen. 
Versprochen!

In diesem Sinne: Entspannt (in den Schlaf) stillen!


Zwei empfehlenswerte Bücher zweier von mir sehr geschätzter Autoren zum weiterlesen (Die beiden schreiben übrigens wunderbarerweise an einem gemeinsamen Buch zum Thema Schlaf):
„Kinder verstehen- Born to be wild“ von Dr. Herbert Renz-Polster, Kösel Verlag

Schlaf gut, Baby!: Der sanfte Weg zu ruhigen Nächten von Herbert Renz-Polster  &Nora Imlau, Gräfe und Unser Verlag

„Das Geheimnis zufriedener Babys“ von Nora Imlau, Gräfe und Unzer Verlag

Die oben erwähnte Studie zu Nukleotiden in der Muttermilch:
Sanchez, C; et al: The possible role of human milk nucleotides as sleep inducers. Nutr Neurosci 2009; 12, 1-8.

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