von Christina Law-McLean IBCLC

Der Blick zur Uhr dominiert die Stillmahlzeiten von vielen Mutter-Kind-Paaren. Und die meisten hätten gerade in den ersten Tagen und Wochen gerne eine genaue Angabe, ein genaues Schema nach dem sie sich richten können, einer Empfehlung für die Trinkdauer: Wie lange soll ich anlegen? Wann soll ich frühestens wieder anlegen? Kann mein Baby wirklich schon wieder trinken wollen? Was ist Clusterfeeding?

Die Antwort von Wochenbettschwestern, Hebammen und Stillberaterinnen ist dann häufig: „Nach dem Baby, nicht nach der Uhr stillen!“ Eine Anweisung, die frischgebackene Mütter manchmal noch ratloser hinterlässt.

Warum machen feste Zeitangaben keinen Sinn?

Wie bei größeren Kindern oder bei Erwachsenen, gibt es auch bereits bei den jüngsten Neugeborenen ganz unterschiedliche Charaktere. Das gilt natürlich auch für deren Vorlieben was das Trinken angeht: Die einen sind gierige und effektive Trinker, die anderen gemütliche Genießer und dazwischen gibt es die ganze Bandbreite. Zusätzlich ist das Trinkverhalten abhängig von der Tagesform und Randbedingungen, auch das ist bei Babys nicht anders als bei uns Erwachsenen. Seltsamerweise wird es von Neugeborenen dennoch oft erwartet dass sie, was die Nahrungsaufnahme angeht absolut vorhersehbar und planbar sind. Von uns selbst würden wir dies nie erwarten. Würde uns jemand vorschreiben wann und in welchen Abständen wir Nahrung zu uns nehmen sollten und uns verbieten würde früher oder zwischendurch etwas zu essen oder zu trinken, fänden wir dies vermutlich ziemlich vermessen.

Worauf macht es dann Sinn zu schauen?

Es gibt zarte Neugeborene, welche es hinbekommen in kürzester Zeit aus nur einer Brust beachtliche Mengen zu trinken und kräftige Kinder die sehr lange an der Brust liegen und dennoch nicht so viel trinken, wie man es sich wünschen würde. Mit der Zeit kann es auch sein, dass ein gemütlicher Trinker immer schneller wird oder ein eher rasch trinkendes Kind nach und nach zum Genießer wird. Hieran sieht man, dass ein alleiniger Blick auf die Zeit an der Brust nicht genügt sondern es auch wichtig ist, zu schauen wie der sogenannte Milchtransfer ist. Also wie viel Milch das Baby in der Zeit die es trinkt aus der Brust entleert. (Wie Du das sehen kannst, kannst Du HIER nachlesen)

Als Stillberaterin versuche ich mir deshalb in Beratungen in der Sprechstunde immer ein „Rundumbild“ zu verschaffen und nicht nur auf Zeiten zu schauen, sondern diese nur als EINES von mehreren Mosaiksteinchen zu sehen. Nicht nur ist es für mich wichtig zu sehen, wie das Kind trinkt (Milchtransfer) und wie dabei die Randbedingungen (Position, Ablauf, anatomische Gegebenheiten) sind, auch die Gewichtsentwicklung und das Verhalten und Befinden des Babys beziehe ich mit ein.

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Also wie lange soll ich denn nun stillen?

In den meisten Kursen die ich gebe oder auch von vielen Patientinnen in der Klinik, kommt nachdem ich ausführlich erklärt habe warum es eigentlich gar keinen Sinn macht, feste Empfehlungen darüber zu geben wie lange man stillen sollte dennoch die Bitte: „Kannst Du uns nicht wenigstens eine grobe Orientierung geben?“

Gerade den ganz frischgebackenen Müttern sage ich dann zwar, dass zunächst so etwa 10-15 Minuten pro Seite durchschnittlich in Ordnung sind.
Aber ich gebe ihnen gleichsam mit auf den Weg, dass es davon oft auch Abweichungen geben kann und dass es viel wichtiger ist, darauf zu achten, WIE das Baby trinkt und wie das Gesamtbild ist.

Um die Einschätzung dieses Gesamtbildes zu lernen ist es ein Vorteil, wenn man als frischgebackene Mutter Unterstützung durch eine Hebamme, Stillberaterin oder Wochenbettschwester hat. Diese können Dir beim Anlegen zeigen, worauf Du achten solltest und wie Du erkennen kannst dass Dein Baby auch gut trinkt und vor allem auch wie es sich „anfühlt“ wenn Dein Baby gut trinkt.

Und ist es wichtig in welchem Abstand mein Baby trinkt?

Die Abstände zwischen den Mahlzeiten an sich sind egal, wichtig ist, dass Dein Baby mindestens 8-12 mal innerhalb 24 Stunden gut an der Brust trinkt. Wie genau diese Mahlzeiten verteilt sind kann von Baby zu Baby und auch von Tag zu Tag variieren. Es kann sein, dass Dein Baby 3x innerhalb einer Stunde trinken möchte, es kann aber auch einmal eine Pause von 1,2,3 oder 4 Stunden einlegen. All dies ist normal.
Auch das sogenannte Clusterfeeding, also Phasen in denen Dein Baby häufig nacheinander trinken möchte, ist absolut normal und nichts worüber Du Dir Sorgen machen müsstest.
(MEHR ZU CLUSTERFEEDING>>>)

Dafür zu entscheiden ob Dein Baby tatsächlich „schon wieder Hunger haben kann“ ist es also nicht so entscheidend WANN es das letzte Mal getrunken hat, sondern es ist entscheidend, ob es sogenannte Hungerzeichen zeigt
(MEHR ZU HUNGERZEICHEN>>>)

Dies gilt besonders für Neugeborene. Je älter Dein Baby wird, desto eher wird es von selbst regelmäßigere Abstände zwischen seinen Mahlzeiten entwickeln. Das kann und sollte man allerdings nicht von außen „aufzwingen“. Ein Herauszögern von Mahlzeiten erzeugt mehr Stress als dass es hilft.
Viele Mütter erhoffen sich von einem „berechenbaren“ Mahlzeitenschema mehr Freiheit. Aus meiner Erfahrung ist aber genau das Gegenteil der Fall. Je starrer (also berechenbarer) der Tagesablauf, desto weniger leicht lässt er sich an Deine Bedürfnisse anpassen. Wenn Du also nach Bedarf stillst, gibt das Dir und Deinem Baby mehr Flexibilität.

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